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Das Forscherdrachenexperiment III

Meister Savyen zog die Mundwinkel nach unten. Eine Mimik, die so gut wie alles bedeuten konnte. Manchmal lachte er sogar auf diese Art und Weise. Doch gerade in diesem Moment dachte er nach. Wen schicke ich? Nethal verliert sich zu oft im Detail und dabei entgeht ihm das Wesentliche. Wahrscheinlich würde er damit anfangen, die Sandkörner zu zählen. Womit er ein paar Monate erfolgreich beschäftigt wäre. Und die Kaulquappe? Er sah zu Fingold hinüber, der den Blick seines Meisters voller Erwartungen erwiderte. … überschätzt sich. Damit war die Angelegenheit klar.

„Ja, ja ich sehe schon, alles bleib wieder einmal an mir hängen. Wofür habe ich überhaupt Lehrlinge und Meisterschüler? Allesamt seid ihr unnützes Gesindel, das zu nichts taugt. Da muss ich alter Mann wieder alle Arbeit alleine machen. Die Jugend von heute hat keinen Anstand mehr, dass sie das zulässt“, wetterte Meister Savyen ungehalten drauf los. Meister Nethal, der dergleichen schon oft erlebt hatte, ließ die ungerechte Schelte mit Gleichmut über sich ergehen. Fingold nahm das noch nicht ganz so gelassen und wurde rot im Gesicht, während sein Blick scheu zur Seite huschte. Allerdings war er so klug, nichts zu sagen. Doch der kleine Astarion erkannte den Kern der Sache nicht wirklich und drängte sich nun nach vorne: „Ich komme mit und helfe dir, Großvater Meister Savyen. Ich lasse dich nicht im Stich.“ Das wiederum brachte Meister Savyen für einen Moment aus dem Konzept und er zögerte. Denkt der kleine Schnösel wirklich, er kann mir helfen, wenn der Oasenbesitzer auftaucht? Andererseits, Fingold war bereits draußen und kam unbeschadet zurück. Dann kann es nicht allzu gefährlich sein und der Rogen lernt was dabei. „Ähm schön Astarion, dann begleite mich.“

So gingen Meister Savyen gefolgt vom kleinen Astarion nach draußen und als sie vor den Toren Draegnoks standen, fragte Astarion: „Laufen wir dort hin? Ich meine, ist es weit? “ „Es geht, allerdings laufen werden wir nicht“, entschied Meister Savyen, woraufhin sich Astarion verwundert umsah. „Nehmen wir eine Kutsch? Aber hier ist es sehr holprig. Da sind Pferde sicherlich besser. Ich kann ein Pony reiten. Wo sind hier eigentlich die Pferde?“ „Plappere nicht so viel unnützes Zeug, kleiner Astarion. Übe dich in Geduld und lerne zuzuhören.“

Meister Savyen klang verärgert und Astarion sah verlegen zu Boden und murmelte: „Ja Großvater Meister Savyen.“ Dann schwieg er und wartete, während Meister Savyen abgelenkt in die Ferne sah.

Das Warten kam Astarion ziemlich lange vor, obwohl es nur zwei Minuten andauerte, dann meinte der Herr von Draegnok: „Wir reisen auf Luftkissen, so wie es sich für anständige Magier gehört.“

Astarions gedrückte Stimmung war wie weggewischt. „Whow das klingt spannend. Ich bin noch nie auf Luftkissen gereist. Wie geht das?“ Meister Savyen griff sich müde an den Kopf. Natürlich kann der Rogen das nicht. Meister Savyen war schon so lange Magier, dass er über solche Lappalien gar nicht mehr nachdachte. „Ich erschaffe dir eines und du steigst darauf. Das Kissen wird dem meinen folgen, also musst du gar nichts tun.“

Gesagt getan und ein blaues Luftkissen erschien knapp über der Erde. Es war eingefärbt, damit der unwissende Astarion es auch sehen konnte. Sein eigenes ließ Meister Savyen durchsichtig. Zeigte ihm doch die magische Sicht ein deutliches Leuchten. Meister Savyen bestieg sein Kissen und Astarion tat es ihm, nach einem kurzen Zögern, gleich. Dann ging es los.

Irre, ich gleite. Asran hat sowas noch nie gemacht. Der wäre echt neidisch, wenn er mich jetzt sehen könnte. Astarions Hochgefühl dauerte nicht lange an, denn schon der erste größere Stein auf ihrem Weg kippte das Kissen ein wenig zur Seite und er verlor das Gleichgewicht. Der Abgang war unsanft und Astarion fiel hart auf den rechten Ellbogen und schürfte sich die Haut auf. Er begann zu weinen, woraufhin ihn Meister Savyen anfuhr: „Greine nicht rum, Schnösel. Du heulst ja lauter als der Wind. Steig wieder auf. Ich will hier nämlich keine Wurzeln schlagen.“ Nun schluchzte Astarion nur mehr ganz leise, doch er machte keine Anstalten, wieder auf das Luftkissen zu steigen.

„Nun Astarion, was ist? Hopp, hopp“, forderte sein Urgroßvater, doch der kleine Junge protestierte: „Ich kann das nicht. Dann falle ich wieder runter.“ „Bei der verpoxten Seeschlange, stell dich nicht so an. Mein Nachfahre, ein kleiner Feigling. Das kann nicht sein. Jetzt steigst du wieder da drauf und... ich klebe dich fest. Dann kannst du nicht mehr unfreiwillig absteigen. Wie kann man bloß so ungeschickt sein!“ Es war klar, Großvater Meister Savyen war wütend. Und um die Sache nicht noch schlimmer zu machen, stieg Astarion wieder auf. Allerdings machte er ein sehr trotziges Gesicht dabei und hielt sich den verletzten Ellbogen. Er wob sogar einen Heilzauber. Den einfachsten seiner Art. Denn das einzig tolle an Draegnok war, dass er hier nie Magieblocker tragen musste und somit zaubern konnte, wann immer er das wollte.

Meister Savyen entging der Fluss der Magie nicht und er stellte nüchtern fest: Na wenigstens etwas bekommt der Schnösel hin. Dann ging ihre Reise weiter. Sie erreichten die Sandzone und auf einer kleinen Erhebung stiegen sie von den Luftkissen, die daraufhin verschwanden. Hier war es auf einen Schlag deutlich wärmer und es gab Unmengen von Sand.

Astarion staunte nicht schlecht, denn der helle, leicht gelbliche Sand war um vieles feiner, als jener, den er von den Flussufern her kannte. Von ihrem Beobachtungspunkt aus konnte man in der Mitte der Oase eine glitzernd blaue Wasserfläche ausmachen und dort wuchsen auch ein paar Palmen und andere exotische Gewächse. Meister Savyen begann mit seinen Untersuchungen, während Astarion den Sand mit dem Fuß hin und her schob.

++++

Das Forschungsobjekt ist am Zielort eingetroffen und wir beginnen mit der Aufzeichnung unserer Beobachtungen. Natürlich lag der Forscherdrache bereits in Position. Nicht weit entfernt ragten Felsen steil in die Höhe und dort hatte er sein Versteck in einer kleinen Höhle gewählt. Das verbarg ihn vor unmagischen Augen, doch auch die magischen wusste er auszutricksen. Dazu hatte er zwei Tiere aus seinem Zoo mitgebracht. Wilde Takimären, die in der Gegend um Draegnok keine Seltenheit waren. Diese Bestien hatte er schon vor Jahren gezähmt und sie gehorchten ihm – im Großen und Ganzen. Nur um die Dinge klar zu stellen, hatte Vedi den beiden noch einmal seine Schwanzspitze um die Ohren gehauen, worauf sie nun ganz brav am Eingang seines Beobachtungspostens ausharrten. Takimären verfügten selbst über Magie und das war der Trick dabei. Wenn nun ein Magier die Umgebung mit den diversen Scanverfahren absuchte, so entdeckte er mit Sicherheit diese zwei Bestien. Doch eine verschleierte Magie, die sich innerhalb dieser magischen Strahlung verbarg, war kaum auszumachen.

Vedis zweiter Trick waren die Schmetterlinge. Herrlich bunte Falter bevölkerten die Oase. Sie waren seine Augen und Ohren. Einen ganzen Schwarm hatte er einzig zu diesem Zweck gezüchtet. Sie waren mit ihm verbunden und er konnte durch jeden einzelnen von ihnen sehen und hören. Dabei konnte er sie wahllos austauschen und auch eine grobe Steuerung war möglich, ohne dass diese Verbindung durch einen anderen bemerkt werden konnte. Forschungsobjekt Nr. 0,001 ist eingetroffen und wir stellen mit Erstaunen fest, dass es von Forschungsobjekt Nr. 1.1 begleitet wird. Forschungsobjekt 1.1 ist zwar deutlich gewachsen, doch wir haben es sofort wiedererkannt. Vedi hatte lange über die treffende Nummerierung nachgedacht. Aber da es sich hier um ein mit Forschungsobjekt Nr. 1 verwandtes Wesen handelte, schien ihm diese Bezeichnung einleuchtend.

Tja die Geländeanomalie hat es hergelockt. Wir hatten keinen Zweifel daran. Und nun wird es beginnen, nach dem Besonderen zu suchen. Hihihi. Aber besonders ist an dieser Oase rein gar nichts, außer dass sie nicht hierher gehört. Vedi hatte sich auf dieses Experiment gut vorbereitet und die Oase herzuschaffen, war ein ziemlicher Kraftakt gewesen. Ein magisches Meisterstück und die Entfaltung dieses Zaubers hatte den Alarm ausgelöst. Doch nun, da die neue Landschaft einmal vor Ort war, war das einzige magische an ihr die Wärmequelle. Eine banale Zauberei, die Vedi von einer seiner Ameisen hatte anfertigen lassen. Ein künstlicher Schirm, unter dem die Temperatur bei rund 40 Grad lag.

Wie reagiert das Forschungsobjekt auf die veränderte Umgebung im Allgemeinen und auf die Hitze im Speziellen? Das war eine der vielen Fragen auf Vedis Liste. Wohingegen Meister Savyen ganz andere Fragen in seinem Katalog hatte. Wo kommt das hier und vor allem, wer ist dafür verantwortlich? Während die großen Meister der Magie nun nach Antworten suchte, fand Astarion seinen Weg hinunter zum Ufer des Teiches. Natürlich erst nachdem Meister Savyen die Gegend für ungefährlich erklärt hatte.

Der alte Magier war nun schwer beschäftigt und da Astarion sich vorhin für seine Fragen eine derbe Schelte eingefangen hatte, beschäftigte er sich lieber alleine. Das ging hier wunderbar, denn der feuchte Sand am Ufer war noch viel besser als der trockene pulvrige. Der hier klebte nämlich und man konnte nicht nur flache Hügel damit machen, sondern sogar Türme bauen. Schon bald hatte er drei derartige Bauwerke fertig, die er dann dekorierte. Er legte einen Kreis von Steinen drumherum. Das ist die Burgmauer. Ist natürlich magisch total abgesichert. Schwarze Steine für Naganor, die rötlichen nehme ich für den Palast des Forscherdrachen und weil es blau nicht gibt, dann halt graue für Draegnok. Zufrieden begutachtete Astarion sein Werk, während er eine ziemlich große trichterförmige Blume abriss und sie sich verkehrt herum auf den Kopf setzte. Jetzt habe ich einen Baumeisterhut, der mich obendrein vor der Sonne schützt. Ich bin nämlich ein Erfinder. Aber meine Türme brauchen noch ein Wahrzeichen auf dem Dach. So bekam Draegnok eine Muschel, Naganor ein dunkles Blatt mit Dornen und in die Feste des Forscherdrachen steckte er einen Zweig mit roten Blüten dran. Das ist eine Feuerzunge.

Bisher hatte Meister Savyen nichts entdecken können und nun kam er hinunter an den Teich und so richtete sich auch das Augenmerk des Forscherdrachen auf Forschungsobjekt 1.1. Wir stellen fest, dass das alte und das junge Forschungsobjekt unterschiedliche Lösungen für die Wärme gefunden haben. Forschungsobjekt Nr. 0,001 nutzt Magie, um eine für ihn angenehme Temperatur zu erzeugen. Wir notieren 18°. Wohingegen der Welpe sich einen Hut aufsetzt. Eine unmagische Lösung verbunden mit der irrigen Annahme, die Wärme hier käme durch die Sonne. Wir erkennen drei Sandaufschüttungen. Was mag sich das Forschungsobjekt dabei gedacht haben?

Diese Frage beschäftigte auch Meister Savyen: „Was machst du da?“ „Ich habe Naganor, Draegnok und den Palast des Forscherdrachen gebaut“, verkündete Astarion stolz. „Der Turm mit dem Blatt-Fahne ist Naganor. Das da ist Draegnok und...“ „Schnösel, Sandburgenbauen ist was für Unmagische“, unterbrach ihn Meister Savyen unwirsch und stampfte dabei mit dem Fuß auf Naganor.

Vedi zeigte mehr Verständnis. Ah jetzt wo der Jungmensch sich erklärt, verstehe ich die Symbolik. Doch dann wurden seine Überlegungen jäh unterbrochen, denn seine Augen und Ohren verschwanden schlagartig. Vedi hatte seinen Falter auf ein Palmblatt dirigiert, sodass er von oben auf die Szene herabblicken konnte. Ein optimaler Standort. Allerdings auch ein sehr exponierter. So hatte sich ein Vogel den reglos dasitzenden Falter geschnappt und verspeist. Das waren die kleinen Fehler in Vedis ansonsten perfektem Plan und er suchte sich einen neuen Falter in der Nähe. Der kluge Forscherdrache hat nicht umsonst eine Armee an Schmetterlingen eingeschleust. Hoffentlich ist uns nach der Zerstörung Naganors nichts Wichtiges entgangen.

Aber noch bevor Vedi sein Augenmerk auf seine Forschungsobjekte richten konnte, schrillte der Alarm los. Das bedeutete Eindringlinge! Jemand nähert sich also dem Versuchsgelände und Vedi sah sofort nach. Mit Schrecken stellte er fest, wer da kam. Oh je, oh je. Das kann den Versuch komplett gefährden. Grässlich. Was mache ich nur?

Wer soll nun kommen?

- Meister Ador
- Eine Bestie
- Ein Drachenweibchen
- Ein Drachenmännchen
- Sonstige andere unerwünschte Besucher